Überwachung der Kommunikation unter Arbeitnehmern durch den Vorgesetzten

Ein Headset-System, das es den Vorgesetzten ermöglicht, die Kommunikation unter Arbeitnehmern mitzuhören, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Seine Einführung und Nutzung unterliegt auch dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn die Gespräche nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung und Nutzung von Headsets.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, dessen Obergesellschaft ihren Sitz in Dublin, Republik Irland, hat. Sie unterhält bundesweit zahlreiche Betriebe, darunter eine Filiale in D, in der mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Antragsteller ist der dort gebildete Betriebsrat.

Im Jahr 2018 schloss die Arbeitgeberin mit ihrem - am Verfahren beteiligten - Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur „Einführung und Anwendung von IKT-Systemen, Datenschutz und Informationssicherheit“. Diese sieht u. a. vor, dass „mitbestimmungspflichtige IKT-Systeme … in Form einer Systemabsprache als Anlage zu dieser Vereinbarung in den mit dieser Vereinbarung geschaffenen Rahmen integriert“ werden. In der Folgezeit beschloss die Arbeitgeberin, für die Kommunikation der Arbeitnehmer innerhalb der einzelnen Filialen Headsets zu verwenden. Im Jahr 2021 vereinbarte sie mit dem Gesamtbetriebsrat eine „Systemabsprache“ zum Einsatz dieser Geräte.

Die Headsets werden mithilfe einer Software betrieben. In dem von der Arbeitgeberin ausschließlich verwendeten Standardmodus bilden alle Arbeitnehmer einer Filiale, die ein solches Gerät benutzen, eine gemeinsame Kommunikationsgruppe („Conference“). Die Headsets sind über eine - lokal eingerichtete - Basisstation miteinander verbunden und ermöglichen die drahtlose Übertragung von „Live-Kommunikation“ an die übrigen aktiven Geräte. Eine Übertragung in andere Filialen ist nicht möglich.

In einem vom Hersteller zur Verfügung gestellten Internet-Portal - dem sog. V-Portal - sind mittels der Software die Registrierungsdaten der Headsets, die Bezeichnung des Geräts sowie der Zeitpunkt der Verbindung ablesbar. Dort ist u. a. auch erkennbar, wenn Headsets mit der Basisstation in der Filiale verbunden sind. Das Portal wird von Arbeitnehmern der zentralen IT-Abteilung des Konzerns in Dublin - dem sog. Helpdesk - bedient. Das System wird zudem von dort aus über das Internet-Portal technisch betreut und gewartet. Der Betrieb in D verfügt über keine eigene IT-Abteilung.

Bei der Arbeitgeberin sind die einzelnen Headset-Geräte keinem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet. Sie werden vielmehr täglich nach dem „Zufallsprinzip“ aus dem Gerätepool bzw. der Ladestation entnommen und sind nach Arbeitsende dorthin zurückzulegen. Es wird weder durch das System selbst noch außerhalb von ihm überprüft oder aufgezeichnet, welcher Arbeitnehmer wann welches Gerät genutzt hat. Auch eine Aufzeichnung von Sprachsignalen oder Geräuschen durch das System ist technisch nicht möglich.

Im Betrieb D sollen etwa 34 Geräte zum Einsatz kommen. Es besteht - jedenfalls für die Führungskräfte (Manager und Supervisor) und jeweils einen Arbeitnehmer in den Bereichen Kasse und Umkleidekabine sowie Aufräum- und Returnteam - eine Nutzungsverpflichtung. Soweit dies nicht der Fall ist, verwenden die Arbeitnehmer das System auf freiwilliger Basis.

Der Betriebsrat hat gemeint, die Nutzung der Headsets unterliege seiner Mitbestimmung. Das Headset-System sei eine technische Einrichtung, die zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Arbeitnehmer geeignet sei. Da die Kommunikation nicht in andere Betriebe übertragen werde, sei er und nicht der Gesamtbetriebsrat für die Angelegenheit zuständig.

Der Betriebsrat hat sinngemäß beantragt, der Arbeitgeberin zu untersagen, das Tragen von Headsets im Betrieb in D ohne seine Zustimmung oder einen diese ersetzenden Spruch der Einigungsstelle anzuweisen oder zu dulden.

Die Vorinstanzen haben die Anträge abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.

Auszüge aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Zwar unterliegt die Einführung und Anwendung des umstrittenen Headset-Systems der betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Für deren Ausübung ist jedoch nicht der örtliche Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig.

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem jeweiligen Gesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Die Vorschrift regelt nicht selbst, wer Beteiligter ist. Sie ordnet lediglich an, dass die genannten Personen und Stellen zu hören sind. Maßgeblich ist, welche Personen oder Stellen durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer kollektivrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sind.

Danach ist neben dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin auch der Gesamtbetriebsrat beteiligt. Er ist in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen, weil seine Zuständigkeit für die Ausübung des vom Betriebsrat in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts infrage steht.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u. a. bei der Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schützenswerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind. Die auf technischem Weg erfolgende Erhebung und/oder Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung birgt die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden. Die Abläufe einer technikgestützten Datenermittlung sind für den Arbeitnehmer häufig nicht wahrnehmbar und es fehlt regelmäßig an einer Möglichkeit, sich ihr zu entziehen. Die Einbindung in eine von ihm nicht beeinflussbare Überwachungstechnik kann zu erhöhter Abhängigkeit führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit beeinträchtigen.

Überwachung“ im Sinn des Mitbestimmungsrechts ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern erhoben und - in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Überwachung muss dabei durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Das setzt voraus, dass sie die Daten über bestimmte Vorgänge automatisch erhebt, speichert und/oder verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und/oder aufzuzeichnen. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an.

Danach ist das von der Arbeitgeberin eingeführte Headset-System mit seinen vorgegebenen Funktionen eine technische Einrichtung, die aufgrund ihrer Nutzungsmöglichkeiten dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen.

Das Headset-System ist deshalb zur Überwachung geeignet und somit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt, weil die in der Filiale tätigen Führungskräfte damit die Kommunikation der anderen Arbeitnehmer, die ebenfalls ein Headset verwenden, jederzeit mithören können.

Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Ob ein zwingendes Erfordernis gegeben ist, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Gegebenheiten im Unternehmen und in den einzelnen Betrieben. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse und reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu begründen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im Entscheidungsfall der Gesamtbetriebsrat zuständig.

Fundstelle: Beschluss des BAG vom 16.07.2024, Az. 1 ABR 16/23 – abrufbar im Internet unter https://rewis.io/urteile/urteil/ptj-16-07-2024-1-abr-1623/