Auswertungsverbot von WhatsApp-Nachrichten eines Arbeiternehmers auf einem privat und beruflich genutzten Mobiltelefon
Wird einem Arbeitnehmer ein Smartphone als umfassendes Kommunikations- und Organisationsgerät überlassen und erfolgt im Hinblick auf bestimmte Kommunikationsformen (WhatsApp; SMS; Telefon) ausdrücklich eine einvernehmliche Mischnutzung, ist eine
Sachverhalt
Die Parteien streiten über zwei außerordentliche, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigungen, eine betriebsbedingte Kündigung, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, datenschutzrechtliche Entschädigungsansprüche sowie Annahmeverzugslohn.
Die Beklagte stattet zumindest einen Teil ihrer Beschäftigten mit einem Smartphone für den dienstlichen Gebrauch aus. Der Kläger wollte keine zwei Smartphones, sondern nur eins sowohl dienstlich als auch privat nutzen. Damit war die Beklagte einverstanden. Sie übernahm wegen der dienstlichen Mitnutzung die Kosten des auf den Kläger laufenden Handyvertrags. Der Kläger brachte seine SIM-Karte und die von ihm für seine private Kommunikation genutzte Mobilfunknummer ein. Im Dezember 2016 kaufte sich der Kläger ein neues iPhone unter Weiterverwendung der bisherigen SIM-Karte und Mobilfunknummer. Auf dem Smartphone war unter anderem der Messenger-Dienst WhatsApp installiert. Diesen nutzte der Kläger sowohl für private Nachrichten an Freunde, Bekannte und Verwandte als auch für dienstliche Nachrichten an Kollegen und Vorgesetzte.
Im Rahmen einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger aufgefordert, sein Smartphone herauszugeben. Der Kläger setzte daraufhin das iPhone in Gegenwart des Geschäftsführers und des Prozessbevollmächtigten zurück (so der Kläger) und übergab das iPhone ohne SIM-Karte den Vertretern der Beklagten.
Nach Herausgabe des vom Kläger genutzten iPhones verfügte die Beklagte über sämtliche Kontakte, die der Kläger dort angelegt hatte, eine „Wallet“-App mit allen Flug- und Bahntickets, annähernd 100 Notizen des Klägers, die in einer Notizen-App abgelegt waren, unzählige SMS-Nachrichten, fast 9.000 Fotos und mehr als 100 Videos. Die Beklagte wertete zumindest einen Teil der gespeicherten WhatsApp-Nachrichten aus und trug eine Vielzahl dieser Nachrichten im laufenden Verfahren vor, um die Kündigung zu begründen. Darunter befanden sich WhatsApp-Nachrichten des Klägers an seinen Bruder und an zahlreiche Freunde.
Im Rahmen seiner Klage vor dem Arbeitsgerichts Mannheim verlangte der Klage, dass die von der Beklagten vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten nicht zur Begründung der Kündigung vom 2. Juli 2020 herangezogen werden dürften. Es bestehe ein Sachvortragsverwertungsverbot, weil die Beklagte mit der Auswertung seines iPhones datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht missachtet habe. Der schwerwiegende Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht würde durch eine prozessuale Verwertung der Auswertungsergebnisse fortwirken.
Das iPhone gehöre ihm. Er habe es dem Geschäftsführer deshalb ausgehändigt, weil die Beklagte den Vertrag finanziert habe. Vor der Übergabe des iPhones habe er dieses auf „Werkseinstellung“ zurückgesetzt und dabei die Option „Alle Inhalte & Einstellungen löschen“ gewählt. Dadurch werde das iPhone ohne jeglichen verfügbaren Inhalt auf Werkseinstellung zurückgeführt. Die Beklagte müsse den Inhalt wiederhergestellt haben.
Die Beklagte erklärte dazu, dass der Kläger das iPhone zwar auf Werkseinstellung zurückgesetzt, dabei aber nur die persönlichen Einstellungen, nicht die Inhalte gelöscht habe. Ihr sei es möglich gewesen, das iPhone einzuschalten und von seinen Inhalten ohne Eingabe eines Passworts Kenntnis zu nehmen. Die Auswertung des WhatsApp-Accounts sei aus zwei Gründen zulässig gewesen. Zum einen habe der Kläger mit der Rückgabe des iPhones zu erkennen gegeben, dass sie jetzt über das iPhone frei verfügen könne. Zum anderen habe der WhatsApp-Account des Klägers dienstlichen Zwecken gedient. Es seien entsprechende WhatsApp-Gruppen eingerichtet worden. Sie habe die gespeicherten Daten – datenschutzrechtlich unbedenklich – verwenden können, weil sie diese für eine interessengerechte Durchführung des Kündigungsschutzverfahrens benötigt habe. Die privaten Inhalte des iPhones seien für sie ohne Interesse gewesen und deshalb nicht ausgewertet worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Mai 2021 unter anderem die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger wegen der Auswertung der WhatsApp-Kommunikation Schadenersatz zu zahlen.
Für die vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten des Klägers bestehe ein Sachvortragsverwertungsverbot. Die Auswertung des iPhones stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Es liege eine Mischnutzung des Smartphones vor. Es sei sowohl privat als auch dienstlich genutzt worden. Der Kläger habe eine berechtigte Privatheitserwartung. Dass die Beklagte behaupte, sich nur für die dienstlichen Inhalte interessiert zu haben, sei unerheblich, denn der Kläger habe das nicht kontrollieren können. Die Ermittlung der vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten verstoße gegen § 26 BDSG. Die Datenerhebung sei, so wie sie durchgeführt worden sei, unverhältnismäßig gewesen. Der Kläger habe nicht in die Auswertung eingewilligt. Die Beklagte hätte die Auswertung im Beisein des Klägers, ggf. nachdem er sich anwaltlich Rat hätte einholen können, vornehmen können und müssen.
Beide Parteien legten gegen das Urteil Berufung ein.
Aus den Entscheidungsgründen
Das Lesen der WhatsApp-Nachrichten des Klägers stellen eine Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten dar, die an § 26 Abs. 1 BDSG zu messen ist. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Privatnutzung dienstlicher Kommunikationsmittel erlaubt war oder nicht. Auch bei einem Verbot der Privatnutzung muss eine Verarbeitung nach zutreffender und auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellter Ansicht den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BDSG entsprechen.
Gleichwohl spielt die Frage nach der Zulässigkeit einer erfolgten Privatnutzung für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eine wichtige Rolle. Hat der Arbeitgeber nur eine dienstliche Nutzung von betrieblichen Kommunikationsmitteln erlaubt, gehen seine Einsichtsmöglichkeiten erheblich weiter als bei einer erlaubten Privatnutzung. Hat der Arbeitgeber den Privatgebrauch kraft Weisungsrechts generell untersagt, sind Kontrollen grundsätzlich zulässig, schon um die Einhaltung des Verbots zu überprüfen. Grenzen für die Überwachung zieht „nur“ § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG und der dort verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So dürfe der Arbeitgeber beispielsweise von ein- und ausgehenden dienstlichen E-Mails seiner Mitarbeiter nach herrschender Ansicht im selben Maße Kenntnis nehmen wie von deren dienstlichem Schriftverkehr. Der Grundsatz der Erforderlichkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist jedoch stets zu wahren.
Die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten durch die Beklagte war unzulässig und führt zu einem Sachvortragsverwertungsverbot.
Bezüglich des Messenger Diensts WhatsApp lag eine einvernehmliche Mischnutzung vor. Eine verdeckte, verdachtsunabhängige und umfassende Kontrolle dieser Nachrichten war gemäß den dargelegten Maßstäben unverhältnismäßig. Dabei ist zu beachten, dass auch die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten verdachtsunabhängig erfolgte. Die von der Beklagten vorgelegten E-Mails können aufgrund des umfassenden Sachvortragsverwertungsverbots zur Begründung eines Anfangsverdachts betreffend die Weitergabe von Betriebsinterna nicht herangezogen werden.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend entschieden, dass eine Einwilligung in die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten nicht vorliegt. Insbesondere kann in der Aushändigung des Smartphones an die Beklagte durch den Kläger eine solche Einwilligung nicht erkannt werden. Dies folgt schon daraus, dass hierdurch das Formerfordernis aus § 26 Abs. 2 Satz 3 BDSG, wonach die Einwilligung grundsätzlich schriftlich oder elektronisch zu erfolgen hat, nicht gewahrt ist und auch keine Umstände für einen Ausnahmefall behauptet oder ansonsten erkennbar sind.
Im Übrigen kann der bloßen Übergabe des Smartphones kein Erklärungswert im Hinblick auf eine konkludente Einwilligung zur Auswertung des WhatsApp-Verlaufs entnommen werden.
Schließlich würde eine solche konkludente, stillschweigende oder gar mutmaßliche Einwilligung nach dem Willen des Gesetzgebers gar nicht ausreichen. Es bedarf im Rahmen des § 26 BDSG (ebenso gemäß § 32 BDSG a.F.) vielmehr einer ausdrücklichen, das Einverständnis des Betroffenen dokumentierenden Erklärung. Eine derartige Erklärung liegt nicht vor.
Erkenntnisse aus dem Urteil
- Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. War die fragliche Maßnahme nach den Bestimmungen des BDSG nicht erlaubt, folgt hieraus regelmäßig ein Verbot der Verwertung der unzulässig beschafften Daten und Erkenntnisse.
- Hat der Arbeitgeber die Privatnutzung dienstlicher Kommunikationsmittel (E-Mail; WhatsApp) erlaubt, ist im Rahmen von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG bei deren Auswertung eine verschärfte Verhältnismäßigkeitskontrolle durchzuführen.
Fundstelle: Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 27.01.2023, Az. 12 Sa 56/21 – abrufbar im Internet unter https://dejure.org/ext/18732f6c053f778a07ab5a29f27685b1